Die Sphinx verstummt

Oscar Wilde in Paris

 

Propyläen Verlag, Berlin und München 2000

342 S., Photos, Illustrationen, Bibliographie

ISBN 3-549-07129-9

 

Oscar Wilde, gefeierter Nonkonformist, Salonlöwe und Selbstdarsteller, gehört zu den Kultfiguren des 20. Jahrhunderts. Anläßlich seines 100. Todestages führt uns Jens Rosteck zu den glanzvollen Pariser Stationen im Leben des Ästheten und Kosmopoliten, zeigt in behutsamer Annäherung aber auch die andere, tragische Seite dieses ambivalenten Dandys: seine von Einsamkeit geprägten letzten Lebensjahre als Flaneur wider Willen im Paris des fin de siècle.

 

Oscar Wilde, dessen Tod sich am 30. November 2000 zum hundertsten Mal jährt, kam zum Sterben nach Paris. Hier hatte er in seinen Glanzzeiten brilliert, hierhin hatte er sich vor der zynischen Doppelmoral des viktorianischen England, der er mit seinem Werk einen Spiegel vorhielt, immer wieder geflüchtet. Hier verbrachte er nach zwei schmachvollen Jahren in biritschem Gefängnis seine drei letzten Lebensjahre in selbstgewählter Anonymität – von den einstigen Weggefährten geschmäht und verleugnet.

Ausgehend von der erstmals detailliert geschilderten Chronik dieses Niedergangs blickt der Literaturwissenschaftler Jens Rosteck zurück auf die Pariser Etappen in Wildes Leben – von den Flitterwochen mit Ehefrau Constance über die legendären Soireen Mallarmés bis zu den Begegnungen mit André Gide, Sarah Bernhardt, Paul Verlaine oder Auguste Rodin. Er führt uns in Wildes Sterbehaus und zu seinem exzentrischen Grabmal auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise, noch heute Kultstätte aller Wilde-Verehrer.

Mit souveräner Kenntnis beleuchtet Rosteck die vielfältigen Einflüsse, die Wildes Werk und Persönlichkeit auf die europäische Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts ausgeübt haben. Er prägte den Ästhetizismus und die „l’art pour l’art“-Bewegung entscheidend mit und antizipierte damit eine Lebenshaltung, die im neuen Jahrhundert immer wieder neu erprobt werden sollte.

 

Stimmen und Rezensionen PDF

 

Rezeptionsgeschichte ist eine spannende Sache

„Ein Mosaik, locker hingeworfen und gerade dadurch lebendig und echt. Keine Biographie, keine akademische Bestandsaufnahme letzter Seufzer, sondern ein buntes, manchmal fahles, übelriechendes Leporello, das desto mehr interessiert, je mehr man blättert. Dabei ist es ein Verdienst, wie frei der Autor seine Darstellungskunst entfaltet, es fließen hübsche Sarkasmen ein, lyrische Ergüsse, die den Leser konzentrieren. Dabei bleibt der Protagonist lebensnah, transparent, seine aufregende, manchmal anstrengende Exzentrik wird verstehbar.

Jens Rosteck erweist sich auch als Meister der Literatur- und Kulturgeschichte des fin de siècle. Es gelingt die Aufhellung feiner Verbindungslinien und Verästelungen in den persönlichen Beziehungen der damaligen Salonkultur. Damit greift der Autor ein Beziehungsgeflecht auf, das wirkmächtig war, das dennoch wenige Spuren hinterlassen hat und das wegen seiner geringen Faßbarkeit die Arbeit des Kulturhistorikers sauer werden läßt.

Das vorliegende Buch hat manches über das eigentliche Thema hinausreichende Verdienst. Es würdigt zum Beispiel die jahrelange Arbeit des Wilde-Freundes Robert Ross für die Regelung der Tantiemen zugunsten der minderjährigen Wilde-Söhne, die diese Leistungen erst sehr spät begreifen sollten.
Das Buch hat eine dem Thema angemessene Sprachweise gefunden, die wohl nur einem Grenzgänger zwischen zwei Künsten, der Musik und dem Theater und Kabarett, einem Meister der Inhaltevermittlung zufallen kann. Der überaus kluge und kultivierte Verfasser [eines] Buch[es] von wirklicher Schöpfungskraft ernstlich anlasten zu wollen [verdient] höchstes Lob [durch den] glücklichen Rezensenten.

Zuletzt gibt der Autor eine gelungene Skizze zu den literarischen, filmischen und anderen Inkulturationen des 20. Jahrhunderts zu Wildes Leben und Werk. Die Strahlkraft der Dichterpersönlichkeit leuchtet auf in den späteren Vereinnahmungen Genets, Fassbinders, Hervé Guiberts und anderer. Werkimmanente Interpretationen und biographische verschmelzen endgültig miteinander. Wilde wird zur Projektionsfläche der sich befreienden gay community. Dabei hat Wilde der Gefahr, seine Hinterlassenschaft würde eines Tages einem Schubladendenken zum Opfer fallen, durch die Vielfalt und Qualität seiner Schriften vorgebeugt.

Rezeptionsgeschichte ist eine spannende Sache, wenn man ihre Darstellung beherrscht. Im vorliegenden Buch tritt der Autor darüberhinaus den Beweis dafür an, daß ein Rezeptionshistoriker mitnichten Fachmann im engeren Sinn sein müsse, hier also Anglist oder Kultursoziologe. Das Buch ist ein gelungener Beitrag zur Biographie Wildes, zu seiner Wirkungsgeschichte und zur Geistesgeschichte des auf Wilde folgenden Jahrhunderts.“

(Literaturmarkt/ixlibris)

 

Oscar Wildes Absturz

„Autor Jens Rosteck legt sein Augenmerk vor allem auf den Niedergang des irischen Schriftstellers, rückt dabei aber nicht – wie so oft geschehen – bloß seine homosexuellen Liaisons in den Vordergrund. Sein Werk Die Sphinx verstummt illustriert ungeschminkt den freien Fall Wildes aus dem Olmyp ins einfache bürgerliche Leben. Jens Rosteck verbalisiert Wildes Absturz mit gestochen scharfen Bildern, reklamiert den unsensiblen Umgang der Pariser mit ihren Denkern. Die französische Hauptstadt ist der Knotenpunkt des biographischen und des kulturhistorischen Stranges seiner Arbeit. Schnörkellos rezitierte Rosteck aus seinem Werk über die letzten Schauplätze des exzentrischen Lebens von Wilde, der zuletzt auch die wenigen verbliebenen Freunde brüskierte. Die Stadt an der Seine ist zugleich die Wahlheimat des Autors, der sein Publikum durch seine Vielseitigkeit überraschte.“

(Frankfurter Rundschau)

 

Paris sehen und sterben

„Mit souveräner Kenntnis werden die vielfältigen Einflüsse, die Wildes Werk und Persönlichkeit prägten, beleuchtet. Sich behutsam dem Dichter nähernd, zeichnet Rosteck die Biographie Wildes und schildert darüber hinaus das Panorama von Paris am Fin de Siècle. Er [bietet] Einblicke in das sehr bewegte Leben eines polarisierenden Geistes.“

(Frankfurter Neue Presse)

 

„Jens Rosteck porträtiert das Leben und Schaffen des Dichters vor dem Hintergrund der französischen Hauptstadt. Ein großartiges Buch, meisterhaft geschrieben, reich an Faktenkenntnis und Einfühlungsvermögen für den Protagonisten Wilde.“

(Christoph Peerenbohm)

 

„Nachwachsende Wilde-Enthusiasten bekommen eine materialreiche Einführung in Leben und Werk eines Autors, der Geschichte schrieb, weil er die Stilisierung des eigenen Lebens erstmals zu einer poetischen und aggressiven Kunst des Handelns machte.“

(Die Welt)